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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 14.03.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 2380/07
Rechtsgebiete: MTV, ArbGG, ZPO, BUrlG, BGB, SGB IX
Vorschriften:
MTV § 2 Nr. 6 | |
MTV § 2 Nr. 6 Abs. 3 Satz 4 | |
MTV § 12 Abs. 2 Nr. 1 | |
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1 | |
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 5 | |
ZPO § 264 Nr. 3, 525 Satz 1 | |
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 | |
BUrlG § 7 Abs. 3 Satz 1 | |
BGB § 280 Abs. 1, 287 Satz 1 | |
SGB IX § 125 Abs. 1 Satz 1 Ts. 2 |
Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.09.2007 - 78 Ca 1579/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand: Der Kläger steht seit Februar 1990 als Betriebselektriker in den Diensten der Beklagten. Auf sein Arbeitsverhältnis kommt kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 17. Januar 1997 (MTV) zur Anwendung.
Der Kläger arbeitet in einem vollkontinuierlichen Schichtsystem mit drei Schichten zu acht Stunden pro Tag. Dabei fallen für ihn innerhalb von vier Wochen 18 Schichten an, was zu einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 36 Wochenstunden führt. Zum Ausgleich für die tariflich vorgeschriebene 35-Stunden-Woche werden ihm auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 20. März 1998 sechs freie Tage pro Urlaubsjahr gewährt, an denen er sonst nach dem Schichtplan Dienst gehabt hätte.
Bis zum ersten Halbjahr 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger einen tariflichen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Seitdem bewilligt sie ihm im Anschluss an einen Rechtsstreit über die Höhe der Urlaubsvergütung nur noch 27 Arbeitstage Urlaub im Jahr.
Das Arbeitsgericht hat die auf drei Tage Ersatzurlaub für 2006 und Feststellung eines Anspruchs auf tariflichen Jahresurlaub von mindestens 30 Urlaubstagen für 2007 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers sei entsprechend der Anzahl seiner individuell zu leistenden Arbeitstage auf 27 Arbeitstage umzurechnen, womit der Kläger auf sechs Wochen Urlaub im Jahr komme. Aus § 2 Nr. 6 MTV, wonach sich der Tarifurlaub entsprechend verlängere, wenn ein sich aus der Arbeitszeitverkürzung ergebender freier Tag mit Zeiten des Tarifurlaubs zusammenfalle, folge nicht, dass der Kläger aufgrund seiner Arbeit in einem vollkontinuierlichen Schichtsystem mit unregelmäßiger Arbeitszeit ein höherer Jahresurlaub zustehen solle als einem Vollzeitarbeiternehmer mit einer auf fünf Arbeitstage in der Woche verteilten Arbeitszeit.
Gegen dieses ihm am 6. November 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. November 2007 eingelegte und am 05. Februar 2008 nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 07. Februar 2008 begründete Berufung des Klägers. Er meint, durch die Praxis der Beklagten werde der ausdrücklich im MTV vorgesehene Fall des Zusammentreffens eines Urlaubstags mit einem freien Tag gezielt verhindert. Müsste er je voller Urlaubswoche fünf Urlaubstage aufwenden, wie dies der MTV bei Vollbeschäftigten vorsehe, so entstünde ihm für einen Urlaubstag, der auf einen freien Tag der zweiten Schichtwoche falle, ein weiterer tariflicher Urlaubstag und hätte er faktisch sechs Wochen plus drei weitere Urlaubstage frei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, ihm je drei Tage Ersatzurlaub aus 2006 und 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung mangels ausreichender Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils bereits für unzulässig. Die sog. Zusammentreffensregelung führe nicht zur Nichtanwendung der Umrechnungsformel des Bundesarbeitsgerichts für Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, die nicht regelmäßig in der 5-Tage-Woche arbeiteten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe: 1. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist insbesondere innerhalb der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Begründungsfrist den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, §64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG entsprechend begründet worden, indem der Kläger beanstandet hat, das Arbeitsgericht habe sich nicht mit seiner Kritik an der Praxis der Beklagten befasst, ein im MTV vorgesehenes Zusammentreffen eines Urlaubstags mit einem freien Tag zu verhindern, und dass aufgrund der dafür getroffenen Regelung für die Anwendung der sog. Leinemann-Formel kein Raum sei.
2. Die Umstellung des erstinstanzlichen Feststellungsantrags auf einen Leistungsantrag stellte gemäß §§ 264 Nr. 3, 525 Satz 1 ZPO keine Klagänderung dar, weil ein ursprünglicher Erfüllungsanspruch mit Ablauf des Jahres 2007 gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG erloschen wäre.
3. Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz erloschenen Resturlaubs für 2006 und 2007 gemäß §§ 280 Abs. 1, 287 Satz 1 BGB. Sein tariflicher Urlaubsanspruch für diese beiden Jahre beschränkte sich auf jeweils 27 Arbeitstage.
3.1 Wird in einem Tarifvertrag die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs auf 30 Arbeitstage festgelegt, wie dies in § 12 Abs. 2 Nr. 1 MTV der Fall ist, so ist davon auszugehen, dass dem eine Verteilung der Wochenarbeitszeit auf fünf Tage zugrunde liegt. Verteilt sich die Arbeitszeit jedoch auf weniger Tage, so vermindert sich die Urlaubsdauer entsprechend ( BAG, Urteil vom 20.06.2000 - 9 AZR 309/99 - BAGE 95, 117 = AP BUrlG § 3 Fünf-Tage-Woche Nr. 15 zu I 2 b, cc der Gründe ). Diese von Sinn und Zweck einer Bemessung des Urlaubsumfangs gebotene Umrechnung hat auch in der Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Ts. 2 SGB IX über den Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen ihre gesetzliche Anerkennung gefunden.
3.2 Einer solchen Umrechnung stand die Regelung des § 2 Nr. 6 Abs. 3 Satz 4 MTV nicht entgegen. Der dort geregelte Ausnahmefall eines Zusammentreffens eines freien Tags mit Zeiten des Tarifurlaubs, der zu einer entsprechenden Verlängerung des Tarifurlaubs führen soll, kommt von vornherein nur in Betracht, wenn es nach der Urlaubsgewährung zu einer Änderung des Schichtrhythmus kommen sollte. Denn an einem bereits zum freien Tag bestimmten Arbeitstag wäre eine Urlaubsgewährung schon gar nicht möglich. Damit geht der Vorwurf des Klägers ins Leere, die Beklagte verhindere durch die Art ihrer Urlaubsgewährung ein Zusammentreffen von freien und Urlaubstagen. Soweit es nun zu einem nachträglichen Zusammentreffen kommt, führt dies zu einer entsprechenden Verlängerung des Tarifurlaubs. Dies besagt indessen nichts über dessen ursprünglichen Gesamtumfang. Die dafür vorzunehmende Umrechnung stellt sich damit nicht als eine tarifwidrige Urlaubskürzung dar.
3.3 Gegen das Verständnis des Klägers spricht auch, dass es zu einer kaum mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern führte, deren Arbeitszeit auch nach der Arbeitszeitverkürzung weiterhin auf fünf Arbeitstage in der Woche verteilt ist, gegenüber solchen mit einzelnen freien Tagen. Dass die Tarifvertragsparteien, die als Normgeber den Gleichheitssatz zu beachten haben ( dazu BAG, Urteil vom 16.08.2005 - 9 AZR 378/04 - AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 zu B II 3 a der Gründe ), eine trotz ihres weiten Beurteilungsspielraums aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG derart zweifelhafte Regelung haben treffen wollen, kann mangels eindeutiger Anhaltspunkte nicht angenommen werden.
3.4 Da der Kläger auf neun Arbeitstage in zwei Wochen kommt, errechnete sich für ihn ein Jahresurlaub von ( 30 x 52x9:2 / 52x5 = ) 27 Arbeitstagen.
4. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegung des bundesweit geltenden MTV zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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